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Lil Yachty: Teenage Emotions (Albumkritik)

 

 

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Lil Yachty: Teenage Emotions (Universal)

 

 

Wenn Sie ein Hip-Hop-Fan sind, der der Ansicht ist, das Talent eines Rappers sei direkt proportional zur Größe seines Vokabulars, und für den die Phrase “back in the day” (damals) immer von einem wehmütigen Seufzen begleitet ist, dann sollten Sie sich auf Ihren schlimmsten Alptraum in Sachen Zeitgeist-Surfing gefasst machen. Gemeint ist der 19-jährige Rapper Lil Yachty aus Atlanta. Sein 21 Songs umfassendes Debütalbum ist nicht gerade arm an idiotischen Momenten. In einem Refrain sagt er immer und immer wieder „Harley“, während er auf „Better“ den Namen Trevor hineinzwängt, was wohl darauf zurückzuführen sein dürfte, dass ihm kein Wort einfiel, das sich auf “whatever” und “clever” reimt. Seine Mutter wird sich über den Song freuen, den er ihr gewidmet hat, aber wohl weniger darüber, dass er in „DM Freestyle“ einem weiblichen Hausgast sagt, dass “there’s piss all in the bathroom, bitch go clean it up”.

 

Von Holzblasinstrumenten scheint der junge Mann überhaupt keine Ahnung zu haben, denn er sagt über eine andere junge Dame, sie könne “blow that dick like a cello”. Es finden sich auf diesem Album sehr wenige Pointen und gute Sprüche und noch weniger originelle Bilder – nur ein Zoetrop von Sex, Geld und Xanax.

 

Dass man das Album trotzdem empfehlen kann, liegt daran, dass es eingängig und regelmäßig überraschend ist. Yachtys Einflüsse sind ziemlich offensichtlich – die arrhythmischen „streams of teen consciousness“ von Lil B und Soulja Boy, der radikale, mit Auto-Tune bearbeitete Solipsismus von Kanye West, die an Straßenreden erinnernden Erklärungen von Young Thug –; er verarbeitet sie zu mitunter brillantem Außenseiter-Pop.

 

Der Walzertakt-Trap-Flow auf „X-Men“ und „Peek a Boo“ ist mitreißend, aber diese geradlinigen Tracks sind ziemlich oberflächlich. Der Rest sind unbeschwerte Singsang-Angelegenheiten, die von Ralph Wiggum stammen könnten, wäre er mit Purple Drank groß geworden; faszinierende, sich windende Balladen, die sich fast auf Dean Blunt Territorium begeben; und mittelschnelle R&B-Nummern wie das exzellente „Bring It Back“, das klingt, als würde ein fühlendes Amazon Echo („Alexa“) um drei Uhr früh betrunken vor Ihrem Fenster Drakes „Hold On We’re Going Home“ singen. Der perfekte Refrain von „Priorities“ – “My priorities are fucked/ My priorities are fucked” – wird sicher zu einer Hymne für Tinder-swiping, unter der Schuldenlast leidende Millenials in aller Welt werden.

 

Yachty verwendet oft, wie es auch seine Pop-Rap-Kollegen Rae Sremmurd tun, eine einzige Melodie für Strophen und Refrain, wodurch eine neue, verstörende Art von Eingängigkeit entsteht, ein Hook, der sich mit solcher Kraft in Ihren Cortex bohrt, dass zumindest ein Teil Ihres Unterbewusstseins ihn ständig singt. Seine unbekümmerte Phrasierung verhindert, dass das Ganze monolithisch und langweilig wird. Wie die Cupcake-Glasur, von der Yachty fast sicher lebt, kann man dieses Album nicht ausschließlich genießen, aber die nervenaufreibende, ja sogar psychedelischen Süßlichkeit ist eine mutige, neue Geschmacksrichtung im Rap und zeigt, dass das Genre abwechslungsreicher denn je ist.

 

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