Heutzutage muss ein Rätselspiel (Puzzle Game) schon einiges bieten, um aus der Masse herauszuragen. Es reicht nicht aus, die Spieler mit lohnenden Logikproblemen zu konfrontieren oder mit einer fesselnden Prämisse oder hübscher visueller Gestaltung aufzuwarten. Contrast mag Ihre Gefühle nicht so ansprechen und Ihre Gehirnwindungen nicht so strapazieren, wie es gerne möchte, aber es ist wirklich kein schlechtes Spiel. Aber in einer Welt nach Braid, Fez und Limbo bietet Contrast schlicht und ergreifend zu wenig von jener schwer zu definierenden Qualität, die es in die Kategorie der wirklich bemerkenswerten Spiele katapultieren würde.
Contrasts wichtigstes, nahezu bewusstseinsveränderndes Gimmick ist die Art und Weise, wie Ihr Spielcharakter, eine gewisse Dawn, sich in Schatten verwandeln kann, wodurch das Gameplay von §D-ERkundung zu 2D-Platformer wechselt. Sie müssen eine Kiste durch unzerbrechliches Glas auf die andere Seite bringen? Dawn kann sich und ein Objekt ganz einfach mit den auf die Wand fallenden Schatten verschmelzen, so das Glas durchdringen und auf der anderen Seite wieder in die Realität zurückkehren. Werden Sie von existentieller Trauer übermannt, weil Sie einen Spalt nicht überqueren können? Nützen Sie die riesigen Schatten weit entfernter Passanten zu Ihrem Vorteil und hüpfen Sie von einem vergrößerten Kopf zum nächsten, als wären es Stufen. Dawn erhält im Laufe des Spiels einige neue Fähigkeiten, etwa einen Dash Move (Laufen/Sprinten), aber Contrast ist vor allem ein Spiel für denkende Menschen und erfordert nur sehr wenig Platforming-Können. Die Rätsel selbst sind ziemlich clever und es macht Spaß, auf den Silhouetten von Leuten und verschiedenen anderen Schattenformen herumzuklettern.
Als clever und interessant kann unsere rehäugige, hohl wirkende Heldin nicht gerade bezeichnet werden. Dawn ist zwar von Beruf Akrobatin, aber sie könnte genauso gut Pantomimin sein, denn sie gibt kein einziges Wort von sich. Dass Dawn über die Persönlichkeit einer Schaufensterpuppe verfügt, wird dadurch wettgemacht, dass Sie von Didi geführt werden, einem reizenden jungen Mädchen, das seine Eltern wieder zusammenbringen möchte. Didi ist die einzige, die Dawn sehen kann, und Dawn kann nur Didi sehen: die übrige Welt existiert rund um Sie, aber Sie nehmen nur die Schatten wahr, die von anderen Leuten geworfen werden.
Während Sie die Straßen des Paris der1920-er erkunden, lässt Ihnen das völlige Fehlen von Begleitung (von Didi abgesehen) genügend Zeit, die Sehenswürdigkeiten zu genießen. Contrast verfügt über einen sehr ausgeprägten visuellen Stil: ausgewaschene Farben und ein aschfahler, cartoonartiger Look. Da Schatten die zentrale Mechanik sind, ist das Licht rund um die Rätsel hell und stark und überall sonst diffus, wodurch eine traumartige Atmosphäre entsteht. Leider werden die malerischen Schauplätze durch die Charaktermodelle ein wenig beeinträchtigt, sie sich mit gestelzten Animationen bewegen und die Silhouetten der anderen weniger glaubwürdig machen.
Ehe Sie auch nur Ihren ersten Schattenschritt wagen, werden Sie zu Ihrem Schrecken bemerken, das die Steuerung alles andere als präzise ist. Dawn bewegt sich mit verwirrender Schnelligkeit und ihre Sprungphysik ist nicht gerade straff – zwei Faktoren, die dafür sorgen, dass das Platforming nicht gerade flüssig von der Hand geht, auch wenn die Steuerung für einen Puzzle Platformer ausreichend ist. Leider kann die Fortbewegung auch ärgerlich reich an Glitches sein. In Contrast passiert es häufig, dass man in Wänden steckenbleibt und ich hielt sehr oft den Atem an, während ich verzweifelt herumzappelte und versuchte, mich zu befreien. Für gewöhnlich gelang es mir, mittels Shadow-Dash (Schattensprint) in die Normalität zurückzukehren. Doch gelegentlich musste ich einen Abschnitt neu starten, wobei ich gut 10 Minuten Fortschritt verlor, was mich fast dazu verleitet hätte, Didi zu sagen, sie solle ihre verdammten Probleme selbst lösen während ich mich in einen Spalt stürze. Interaktionen mit Hebeln und beweglichen Scheinwerfern können auch ein wenig schwierig werden: es kann passiere, dass Sie an Ort und Stelle herumtanzen müssen, bis sich ein Objekt bequemt, Ihren Buttonbefehlen Folge zu leisten.
Wenn Sie sich vorarbeiten, kommen auch Magie und geheimnisvolle Stimmung ins Spiel und es gibt vermehrt überlebensgroße Schauplätze und verdrehte Abschnitte in der Stadt, die ins Nichts führen. Vor allem ein Bahn im Vergnügungspark, die durch ein Piratenschiff führt, und der Uhrturm eines Tüftlers sind fantastische Levels. Sie werden die Umgebungen wahrscheinlich bewundern, aber sie werden immer deprimierend leer wirken. Ja, Sie können Konversationen belauschen und die Schatten anderer Leute sehen, aber nur dann, wenn ein Trigger in einer filmischen Szene oder ein Umgebungsrätsel dies zulässt. Es wird aber Zeiten geben, da Sie alleine auf einer geräuschlosen, verlassenen Straße stehen und sich völlig isoliert fühlen. Ich behaupte nicht, dass ich stundenlang weinte, weil mir Dawns einsame Existenz so zu Herzen ging, aber die Welt wirkt bisweilen einfach so leblos.
Trotz Dawns Stummheit sorgt Didis Notlage dafür, dass es sich lohnt, Contrast zu spielen. Didi dabei zu helfen, die Probleme ihrer Familie aus der Welt zu schaffen, gibt einem das Gefühl, eine gute Tat zu vollbringen. Dawn kann mit ihren Aktionen eigentlich nur das Ausmaß von Didis Fröhlichkeit/Glück beeinflussen. Wenn Sie nicht gerade für Didi einspringen, werden Sie den Gesang ihrer Mutter genießen, auch wenn diese musikalischen Darbietungen selten sind. Es werden hinter den Kulissen auch zahlreiche Ränke geschmiedet, was durch Briefe, Poster und wissenschaftliche Diagramme vermittelt wird, die Sie überall in den Levels finden können. Sie helfen dabei, die Atmosphäre aufzubauen, wirken aber so, als hätte man sie gewaltsam hineingequetscht. Sie können diese Schriftstücke auch kaum übersehen, da Sie vor den dunklen Hintergründen stark weiß leuchten.
Sie können Contrast an einem Abend durchspielen: vier Stunden sollten ausreichen, um die Story zur Gänze zu erleben und alle Collectibles einzusammeln. Und ich empfehle, das Spiel auf einen Sitz durchzuspielen. Wenn Sie es tun, wirkt Contrast wie ein kurioser Animationsfilm, und zwar wie einer, den man sich gerne einmal ansieht, ohne aber das Bedürfnis zu verspüren, ihn nochmals zu sehen. Dawns und Didis Eskapaden sind amüsant, aber aus Contrasts Prämisse hätte man viel mehr machen können, wären Dawn oder ihre Umgebung menschlicher.
PRO: Die Mechanik, die erlaubt, zum Schatten zu werden, ist originell; die Rätsel sind clever und befriedigend; Didi zu helfen, wird Ihr Herz erwärmen.
CONTRA: Bugs bringen das Spiel gelegentlich zum Absturz; die Umgebungen wirken oftmals leer; Dawn ist eine enttäuschend geistlose Protagonistin.
Abschließende Bewertung
Spiel: 6,25
Spaßfaktor: 6,0
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