Saints Row IV – Der Spaß und Spiele Test

 

Es fällt schwer, sich einen Welt vorzustellen, in der ein vulgärer Typ mit Vokuhila und neongrüner Haut zum Präsidenten von irgendetwas gewählt würde, geschweige denn zum Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Vor allem wenn man bedenkt, dass der fragliche POTUS ein riesiges Bandenimperium leitet, zum Spaß ein Pandakostüm trägt (natürlich mit Umhang), in den Straßen herumgaloppiert und männlichen Passanten in die Eier tritt. Volitions neuester Teil seiner erfolgreichen und sehr unterhaltsamen Open-World-Reihe ist, was kaum überraschen dürfte, albern – es ist aber auch eines der besten Superheldenspiele aller Zeiten.

Sie spielen, wie schon in den bisherigen Titeln, den Anführer der Saints – und da Sie bei den Bewohnern von Steelport unglaublich an Popularität gewonnen haben, werden Sie zum Präsidenten gewählt. Sobald die Erde jedoch von Aliens belagert wird, werden Sie gefangen genommen und in eine Matrix-artige virtuelle Nachgestaltung der Stadt gesteckt, die Sie einst beherrschten. Auf manche Weise ist Saints Row IV nur Saints Row: The Third mit weniger bemerkenswerten Missionen und einigen neuen Spielsachen – nur dass Sie diesmal über die Fähigkeit verfügen, 1000 Meter hoch in die Luft zu springen, dreimal so schnell zu laufen, wie das schnellste Auto fährt, und sich raketengleich aus der Himmel auf die Erde zu stürzen, die Faust in den Boden zu rammen und so alles in der Nähe des Einschlags auszulöschen.

Diese Superkräfte allein sind den Erwerb dieses Spiels und die Zeit, die Sie damit verbringen, wert. Sie könnten in Steelport herumlaufen, von Dach zu Dach springen, ohne etwas anderes zu tun, und Sie hätten dennoch ein tolles Spielerlebnis (auch wenn Sie mit ein wenig Clipping und dem einen oder anderen technischen Problem zu kämpfen hätten, aber das stört nicht allzu sehr). Saints Row IV stellt eindrücklich unter Beweis, wie kleine Veränderungen bei der Art und Weise, wie man sich durch die Spielwelt bewegt, scheinbar mühsame und langweilige Aufgaben, zum Beispiel das Sammeln von 100 Collectibles oder die Reise zu einer neuen Mission, in unglaublich spannende Unterfangen verwandeln können. Die Bewegung ist hier kein Engpass, der das Tempo verringert, sondern eine exzellent gemachte Mechanik.

Doch Bewegungskräfte sind nicht die einzigen, die zur Verfügung stehen, denn Sie werden nach und nach neue Fähigkeiten freischalten, etwa Telekinese oder explodierende Feuerbälle. Alle sind herrlich und die meisten Missionen sind so gestaltet, dass Sie diese Fähigkeiten auch nützen müssen, um sie halbwegs vernünftig bewältigen zu können. Es ist nicht möglich, einfach wild schießend durch die Levels zu rasen. Diese Superkräfte sind auch das Fundament von vielen der neuen Herausforderungen von Saints Row IV. Von unglaublich schnellen Sprintstaffeln über herausfordernde Platforming-Minispiele bis hin zu kooperativen Superhelden-Deathmatches gibt es tonnenweise tolle neue Arten, Geld und Erfahrungspunkte (XP) zu verdienen, und allein schon die Vielfalt sorgt dafür, dass sie nicht langweilig werden.

Dasselbe kann man von den Storymissionen in Saints Row IV leider nicht sagen. Sie werden ein wenig enttäuscht sein von dem Mangel an herausragenden Handlungsmomenten, die mit der wunderbaren Flugzeugflucht oder dem Morningstar Einfall in das Hauptquartier der Saints aus dem Vorgängerspiel mithalten können. Außerdem erhalten Sie in einer überraschend großen Zahl primärer Storymissionen die Aufgabe, ziemlich wenig aufregende Challenges (Herausforderungen) zu erledigen. Noch schlimmer ist, dass Sie oft einen Missionshub außerhalb der Steelport Simulation aufsuchen müssen, um neue Quests zu übernehmen oder absolvierte abzuschließen, wodurch das ansonsten hohe Tempo für einige Momente unnötig gebremst wird.

Das soll aber nicht heißen, dass nicht einige tolle Dinge auf Sie warten. Saints Row IV ist fast zur Gänze als Parodie anderer Spiele, Genres und Klischees aufgebaut. Die erste Mission sieht aus, als stamme sie direkt aus einem sich selbst zu ernst nehmenden Shooter, wobei nicht einmal das Aufbrechen einer Tür in Zeitlupe fehlt, das so perfekt umgesetzt ist, dass es unmöglich ist, nicht zu lachen. Und das ist nur ein Vorbote. Es gibt zahlreiche Anspielungen auf Mass Effect (inklusive ziemlich peinlicher romantischer Optionen), Stealth Spiele und sogar die Saints Row Reihe selbst, denn Sie werden hören, wie sich gewisse Bandenmitglieder an die Zeiten erinnern, als sie sich selbst viel zu ernst nahmen. Diese Gags werden sehr selbstbewusst vorgetragen und haben den zusätzlichen Vorteil, mehr Abwechslung in die Missionen zu bringen, auch wenn diese mitunter ein wenig verwässert wirken. Aber diese ständigen Witzeleien haben auch einen Nachteil.

Saints Row IV macht sich so oft über die verschiedensten Spiele lustig, indem es deren Gameplay-Stile imitiert, dass dadurch seine eigene Identität verwässert wird. Wenn Sie sich daran gewöhnt haben, über unglaubliche Superkräfte zu verfügen,werden Sie seufzen, wenn sie Ihnen in gewissen Missionen weggenommen und Sie gezwungen werden, ein feindliches Lager zu infiltrieren, nur damit ein paar Metal Gear Solid Witze gemacht werden können, auch wenn die Pointe für einen Lacher gut ist. Das Ganze wirkt weniger wie ein Spiel über die Saints und mehr wie eine Serie von Gags in spielbarer Form.

Das wird besonders durch den Umstand deutlich, dass die Saints eine vernachlässigbare Rolle spielen, denn Ihre meisten Interaktionen mit wichtigen Verbündeten erfolgen in Form von Funkübertragungen. Sie übernehmen keine Stadt, um ein Imperium für Ihre Gang zu errichten, sondern Sie kämpfen ziemlich alleine gegen Aliens, um die Kontrolle über ein Computerprogramm zu erlangen – und wann immer Sie die Simulation verlassen, um mit Ihren Leuten Auge in Auge zu sprechen, werden Sie daran erinnert, dass Sie all Ihre harte Arbeit an einem virtuellen Ort verrichten, der mit der realen Welt wenig bis gar nichts zu tun hat. Vielleicht lässt sich daraus ein Kommentar auf unsere heutige Gesellschaft ableiten, aber in Wahrheit macht es die Erledigung der vielen Zielvorgaben von Steelport weniger bedeutsam, vor allem auch deshalb, weil die Aliens, die Sie töten müssen, um Ihre Ziele zu erreichen, so völlig uninteressant sind.

Es ist überraschend, wie generisch die Feinde sind (mit Ausnahme von Zinyak, dem poetischen Anführer der Aliens), wenn man bedenkt, wie verrückt Saints Row IV an sich ist. Im Unterschied zu den muskulösen Luchadores und der nur am Geschäft interessierten Morningstar Gang aus Saints Row: The Third sind Zinyaks Lakaien einfach nur da, denn es mangelt ihnen an Persönlichkeit. Sie stehen nur in Gruppen herum, damit Sie sie in die Atmosphäre schießen können.

Zum Glück wird das nie wirklich langweilig. Lange nachdem Sie die Hauptstory absolviert haben, werden Sie noch immer begierig sein, in die Steelport Simulation zu hüpfen, um einige Runden durch die Stadt zu drehen und dabei alles zu zerstören, was Ihnen in den Weg kommt. Mit ein wenig Mehr Fokus und Substanz hätte Saints Row IV zu einem Pflichtkauf für die Open-World-Gemeinde werden können. Dennoch ist es verdammt unterhaltsam und es wird Ihnen schwerfallen, ein Spiel zu finden, dass Superkräfte besser hinbekommt – Sie werden sich nur wünschen, der Rest des Spieles wäre so unglaublich wie das Herumlaufen in der Spielwelt.

Das Spiel wurde auf dem PC getestet.

PRO: Unglaubliche Superkräfte; lustige Parodien von Spielen, Genres und Klischees; es gibt in Steelport sehr, sehr viel zu tun.

CONTRA: Zu wenige bemerkenswerte Storymissionen; generische außerirdische Feinde; technische Problemchen.

Abschließende Bewertung

Spiel: 7,75

Spaßfaktor: 8,0