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Deadpool – Der Spaß und Spiele Test

 

deadpool review 01

Mein ursprünglicher Vorstoß in die Welt von High Moon Studios' Deadpool Videospiel gipfelte in einem intimen Moment im schmutzigen Badezimmer des titelgebenden Charakters. Er sitzt mit heruntergelassener Hose – seine abscheulich narbenreichen Knöchel sind zu sehen – auf der Schüssel und drückt. „Es brennt!“ schreit er, und das tut es – aber es fühlt sich auch irgendwie gut an.

Nach einem Telefongespräch mit dem Entwickler des Spiels, in dem es um die Schaffung eben jenes Actionspiels ging, das ich spielte (Inception!), machte sich der die vierte Wand durchbrechende Wade Wilson daran, sein heruntergekommenes Appartement zu erkunden, einen Vergnügungspark, der abwechselnd abscheulich und brillant ist. Im einen Moment fragt er seinen Hund, ob er mit dem Lecken seiner Hoden gut vorankommt, im nächsten lässt er einen Kommentar über das minderwertige Polygon-Modell-Design seiner Möbel ab. Er bläst eine Gummipuppe auf, wobei eine der Stimmen in seinem Kopf (es gibt zwei) meint: „Wir werden doch nicht etwa unseren Penis da hineinstecken, oder?“ Dann spricht er am Telefon mit dem Mann, der ihm seine Stimme leiht. Es ist kein Geringerer als der erfolgreiche und fast allgegenwärtige Nolan North.

Was zunächst wie eine Reihe billiger Gags und ekelhafter Momente wirkt, ist in Wahrheit ein Blick in die gequälte Psyche von Marvels „Merc with a Mouth" (Söldner mit großer Klappe). In Wade Wilson steckt ein Held, der tief unter einer See der Psychosen schwebt, wo der Aufruf zum Tätigwerden mitunter sehr schwer zu hören ist. Man könnte argumentieren, dass dieses ganze Szenario – der Anruf von High Moon Studios und die darauffolgende „Videospielentwicklung“ – ein komplexes mentales Konstrukt ist, das kreiert wurde, um Deadpool auf den Pfad der Rechtschaffenheit zu führen.

Während er ziellos durch sein Appartement wandert, klopft jemand beharrlich an seine Tür. Das Skript für das Spiel wird zugestellt – oder doch nicht? Spielt Deadpool mit seinem eigenen Verstand und infolgedessen auch mit meinem?

Ich habe wirklich das Gefühl, dass man meinem Verstand einen Streich spielte, aber dafür war nicht der fiktive Charakter verantwortlich. Von dem Moment an, da High Moon Studios and Activision das Deadpool Spiel ankündigten, wurden wir mit Trailern und Marketingmaterialien überhäuft, die sich auf das Schlechteste konzentrieren, was das Spiel zu bieten hat. Profile für die Gaststars des Spiels – vor allem die weiblichen – wurden in Wilsons Stimme vorgetragen und waren mit unverhohlenen Anspielungen zumeist sexueller Natur gespickt. Ein Trailer ließ ein so kindisches und übertriebenes Spiel erahnen, dass ich mich fragte, ob die Entwickler den Charakter völlig missverstanden hatten.

Sie waren die ganze Zeit über direkt in Wade Wilsons Kopf.

In seinen besten Momenten ist Deadpool ein Wirbelsturm aus schlechtem Benehmen und manischer Verrücktheit, allerdings gesprenkelt mit Augenblicken reiner Brillanz. Er ist unhöflich und vulgär und gewalttätig und gemein und gerade wenn alle anderen, die Spandex tragen, bereit sind, ihn in die Sonne zu schleudern, macht er etwas Erstaunliches. Ein Akt selbstlosen Heldentums, eine außergewöhnliche Physische Leistung – vielleicht eine Song- und Tanznummer – es ist, als schaltete sich sein Überlebensinstinkt ein, um seinen aufwendigen und komplizierten Bewältigungsmechanismus zu überbrücken, kurzzuschließen.

Das Erstaunliche am Deadpool Spiel ist, dass es High Moon nicht nur gelungen ist, diese Dynamik vom Charakter-Standpunkt aus einzufangen, sondern auch, das ganze Spielerlebnis damit zu durchtränken.

Nehmen Sie zum Beispiel das grundlegende Gameplay. Unter dem ganzen manischen Aufputz ist Deadpool ein Beat-’em-up mit Platforming-Elementen. Das bedeutet, dass sie sehr oft gegen eine Gruppe von Feinden kämpfen, dann zum nächsten Bereich eilen und gegen weine weitere Gruppe von Feinden kämpfen werden, wobei der gute Deadpool mehr oder wenige Sprüche vom Stapel lässt, die nur die ersten zwei oder drei Mal lustig sind.

Das ging mir auf die Nerven. Ich war ziemlich frustriert. Meine Hände verkrampften sich, und dann – Traumsequenz! Perspektivenwechsel! Unglaublich einfallsreiche Geschützturmsequenz! So muss sich Cable während der gesamten Cable & Deadpool Comicreihe gefühlt haben.

Das Pacing ist perfekt, allerdings nur bis zum vorletzten Kampf, denn dieser gab mir das Gefühl, gezwungen zu werden, in einem verrückt langen Geecht noch einmal gegen jeden einzelnen Feind zu kämpfen, den ich im Laufe des Spiels besiegt hatte. Wären die Kämpfe im Spiel nicht so befriedigend, wäre ich glatt auf den Gedanken gekommen, es müsse sich dabei um eine Art Bestrafung handeln.

Zum Glück ist das Kämpfen ziemlich unterhaltsam, denn Deadpools urtypischer Stil wurde gekonnt umgesetzt – totales Chaos. Er schwingt Schwerter, Sai’s unf Hämmer und generiert so Momentum, um vernichtende Spezialattacken freizusetzen. Er begibt sich in Deckung und schießt mit Pistolen, Sturmgewehren, Schrotflinten und einer besonders zerstörerischen Laserkanone. Er wirft Granaten, legt Landminen aus und stellt Bärenfallen auf, weil er eine Tasche hat, die bis zum Rand mit solchem Krempel gefüllt ist.

In seinen besten Momente – das bedeutet, in fähigeren Händen als den meinen – verbindet er Fern- und Nahkampfangriffe zu einer fließenden Einheit und praktiziert die uralte Kunst des Gun-fu. Er ist kein Dante, aber er verfügt über beträchtliche Fähigkeiten.

Benötigt er diese Fähigkeiten? Mitunter. Nämlich dann, wenn die Feinde nicht hinter Hindernissen feststecken und deshalb stillstehen, so dass er sie in aller Ruhe erledigen kann. Oder wenn er nicht an zwei möglichen Kämpfen vorbeiläuft, um zu einem dritten zu gelangen, in dem er stirbt, worauf er beim Checkpoint des dritten Kampfes wieder ins Spiel einsteigt (respawn) und so die ersten beiden überhaupt überspringt. Für jeden Miniboss mit schweren Waffen, der einen unerbittlich verfolgt, gibt es immer einige Feinde, die nicht in der Lage sind, sich über Steigen hinauf oder hinunter zu bewegen.

Sie werden vielleicht bemerkt haben, dass ich bis jetzt nicht auf den Plot des Spiels eingegangen bin. Das liegt daran, dass ich mir nicht sicher bin, was dieser Plot eigentlich ist. Das soll nicht heißen, dass das Spiel keine Story hat. Der große X-Men Bösewicht Mr. Sinister führt ganz gewiss etwas im Schilde... etwas ganz Finsteres, und zwar auf der Insel Genosha. Cable, der sich als Summers in der Zukunft herumtreibt, teilt uns dies mit. Deadpool geht es viel mehr um die Belohnung, um die ihn der Bösewicht brachte, weshalb Rache und Vergnügen seine einzige Motivation sind.

Da ist diese praktische Wahnvorstellung/Illusion schon wieder. Was Deadpool anbelangt, ist Genosha einfach nur ein netter Schauplatz für ein Videospiel.

Wenn es nicht gerade gekonnt ein heroisches Epos unter lauter Wahnsinn begräbt, verbringt Deadpool seine Zeit damit, zwischen angeberischen Kommentaren und echter Heiterkeit herumzuhüpfen. Das Skirpt ist am besten und intelligentesten, wenn die vierte Wand brutal zerschlagen wird. Regelmäßige Anrufe im Spiel bei High Moon im Spiel nach absichtlichen Glitches, Anspielungen auf zu oft verwendete Gaming-Klischees, während diese Anwendung finden, immer wieder eingestreute Schnipsel der Titelmusik – wunderbar.

Und wenn es derb ist, dann ist es sehr, sehr derb. Dies ist kein Spiel für Kinder, obwohl ich gerne mit Mutter und dem kleinen Hans im Zimmer wäre, wenn Wade über die Größe seines Schwanzes spricht, einem Hund empfehlt, seine Hoden zu lecken oder versucht, einer potenziell nur vorgestellten Frau an die Brust zu fassen. Es kann ziemlich furchtbar werden, aber es wird dem Charakter gerecht. Wenn überhaupt, ist Deadpool hier noch mehr Deadpool als in den Comicbüchern, in denen er auftaucht.

Wenn Sie mit seinem krassen Macho-Humor zurande kommen, werden Sie beim Spielen von Deadpool wohl ähnlich viel Spaß haben, wie ihn die Leute von Hihg Moon allem Anschein nach während der Entwicklung hatten (nun, bis zu ihrer Entlassung vor einigen Tagen). Dank der Verrücktheit von Wade Wilson (und einer wirklich großartigen sprecherischen Leistung von Mr. North) ist hier in einem Genre, das für recht durchwachsene Spiele bekannt ist, ein einzigartiger Titel gelungen, der dem Geist des Charakters durch und durch gerecht wird.

PRO: Phasenweise wirklich lustig; brutale, befriedigende Kämpfe; urkomische kurze Videos, die die Welt der Marvel Comics näherbringen.

CONTRA: Wenig aufregende Bosskämpfe; sich stark wiederholende Begegnungen mit Feinden; geringer Wiederspielwert.

Abschließende Bewertung

Spiel: 7,0

Spaßfaktor: 7,75

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