Der dritte Teil von Cryteks Open-Ended-Shooter-Serie ist da. Es ist einmal mehr an Prophet, die Erde gegen eine Invasion der außerirdischen Sephs zu verteidigen. Crysis 3 behält die taktische Action der beiden Vorgänger bei, gibt den Spielern aber mehr Fähigkeiten an die Hand, die einem das Gefühl geben, noch mächtiger und stärker zu sein als je zuvor. Obwohl Cryteks First-Person-Shooter visuell beeindruckend ist, unterhaltsame Kampfelemente hinzufügt und einen gelungenen Multiplayerteil beinhaltet, ist Crysis 3 nicht frei von Mängeln.
Am Ende von Crysis 2 lag New York City in Trümmern. Die einst geschäftigen Gehsteige waren mit Schutt und Asche übersät und auf den Straßen türmten sich die Leichen Unschuldiger. Die Handlung von Crysis 3 setzt 25 Jahre später ein. Die Spieler müssen gegen die CELL Corporation vorgehen – eine Organisation, die das Land übernommen hat. New York liegt nun unter einem riesigen Nanodome, wodurch ein überwachsener urbaner Dschungel und wunderschöne Umgebungen entstanden sind, in denen es sich trefflich auf Bösewichte schießen lässt.
Die Story von Crysis 3 ist nicht annähernd so kompliziert und gewunden wie die des Vorgängers, die mit so vielen Wendungen „erfreute“, dass man von Glück reden konnte, wenn man diese ohne Schleudertrauma überlebte, aber der Mangel an Charakterentwicklung und interessanten Dialogen sorgt dafür, dass de Handlungsverlauf generisch und uninspiriert wirkt. Es hat sich eine Widerstandsbewegung gebildet, die gegen die korrupte CELL Corporation kämpft. Diesen aufrechten Kämpfern hat sich auch ein alter Kampfgefährte Prophets aus dem ersten Crysis angeschlossen. Im Laufe des Spiels treffen Sie andere Charaktere, erhalten Missionsaufträge von den Anführern des Widerstands und erleben Prophets Kampf gegen Sephs, letzteren durch Visionen, die ihm dank des Führers der tintenfischartigen Aliens zuteil werden, aber diese Interaktionen sind nicht sonderlich fesselnd und auch nicht besonders gut ausgestaltet. Es fällt schwer, sich während der fünf oder sechs Stunden dauernden Kampagne für einen der Charaktere zu erwärmen, und die Leute, die man trifft, sind einem überhaupt gleichgültig. Zum Glück lenkt das Gameplay über weite Strecken von der schwachen Handlung ab.
Crysis 3 überzeugt vor allem dadurch, dass es Ihnen erlaubt, an Situationen so heranzugehen, wie es Ihnen beliebt. Sie haben einen Vorteil gegenüber Ihren Feinden, da Sie die die Stärkeerhöhung, die Stealth-Fähigkeiten und das Nanovision-Visier Ihres Anzugs nützen können. Wenn Sie von all diesen Fähigkeiten zugleich Gebrauch machen, können Sie die Aufenthaltsorte von Feinden taggen, sich durch die Umgebung bewegen und in der Art eines Jägers einen Gegner nach dem anderen ausschalten. Sie können aber auch Ihre Nano-Rüstung aktivieren und sich in bester Rambo-Manier frontal in Feuergefechte stürzen. Sich für die heimliche Vorgangsweise zu entscheiden, ist im Allgemeinen unterhaltsamer, da einem das Kombinieren der Kräfte des Anzugs, um die Feinde zu jagen, ein Gefühl der Macht gibt. Die Levels ausgiebig zu erkunden, kann Ihnen außerdem Belohnungen einbringen. Sie können Ihre Fähigkeiten verbessern, indem Sie besondere Upgrades finden, die die Energie-Handicaps des Anzugs verringern, was dazu führt, dass einen der Anzug nicht mehr so sehr bremst wie in den vorangegangenen Spielen.
Prophet schlüpft in Crysis 3 in die Rolle eines Hunter (Jäger); dank seines schicken neuen Bogens ist der Supersoldat tödlicher denn je. Da Sie den Bogen abfeuern können, ohne die Stealth-Fähigkeit zu beeinträchtigen oder zu unterbrechen (Sie bleiben dabei also unsichtbar), und Ihnen zahlreiche unterschiedliche Pfeile zur Verfügung stehen, eröffnen sich extrem unterhaltsame Gameplay-Strategien. Elektroschock-Pfeile und Pfeile mit explodierenden Spitzen geben Ihnen die Möglichkeit, Gruppen von Feinden mit einem einzigen Schuss auszuschalten, aber auch der Einsatz der Standard-Pfeile hat seinen Reiz: es ist sehr befriedigend, Feinde damit quasi an die Wand zu nageln.
Aber Prophet kann nicht nur seinen Bogen einsetzen, sondern auch seine Hacker-Fähigkeiten, die ihm erlauben, Türen zu öffnen, Minenfelder lahmzulegen und Ceph-Drohnen zu deaktivieren. Zusätzlich kann er im Kampf mechanische Bedrohungen hacken, etwa automatische Geschütztürme von CELL, und diese gegen seine Feinde einsetzen. Hacking ist eine weitere nützliche (und unterhaltsame) Methode, Gruppen von Feinden auf strategisch ausgeklügelte Weise zu erledigen, aber Sie werden viel mehr Türen und Bedienfelder hacken, als Ihnen lieb sein kann. Objekte, die Sie hacken können, finden sich immer und überall, weshalb es mühsam und auch langweilig werden kann, wenn Sie mit allen interagieren wollen. Sobald Sie einmal ein halbes Dutzend Objekte innerhalb von zwei oder drei Minuten gehackt haben, verliert dieses Minispiel schnell seinen Reiz.
Die AI ist ebenfalls nicht perfekt. Die Feinde in Crysis 3 sind herausfordernd und bewegen sich ziemlich intelligent durch die Spielwelt, vor allem dann, wenn sie sich bemühen, Sie zu umgehen und Ihnen in den Rücken zu fallen, aber in manchen Momenten sind sie zu intelligent. Wenn Sie nicht Ihre Stealth-Tarnung verwenden, können die Feinde Sie auf unglaublich große Entfernung entdecken. Ob Sie sich in völliger Dunkelheit verbergen oder sich aus der Deckung wagen, wenn sie Ihnen den Rücken zukehren – sie decken Sie sofort mit heißem Blei ein. Für einen Spieler, der ganz auf die Stealth-Taktik setzt, kann es unglaublich irritierend und frustrierend sein, von einem CELL Wachmann mit Adleraugen im Hinterkopf entdeckt zu werden.
Nachdem Sie die fünf oder sechs Stunden lange Kampagne beendet haben, hat Crysis 3 in seinen kompetitiven Multiplayer-Modi noch einiges zu bieten. Die Matches spielen sich genauso wie im vorangegangenen Titel der Serie, aber die Möglichkeit, auf die Fähigkeiten des Nanosuit zuzugreifen, lässt den Online-Wettkampf doch anders wirken als in allen anderen Shootern. Das typische Spieler-Progressionssystem mit Waffen-, Waffenerweiterungs- und Fähigkeiten-Unlocks kommt auch hier zum Einsatz und bringt leider gar nichts Neues ein. Doch der Umstand, dass sich jeder Spieler unsichtbar machen, Autos quer über die Karte schleudern und die Gegner mit Stahlpfosten verprügeln kann, gibt den gewohnten Team Deathmatch und Capture the Flag Modi ein einzigartiges Feeling, das zu stundenlangem Spielen verleitet.
Neben den Standard-Multiplayer-Modi gibt es noch den besonders unterhaltsamen Infektions-artigen Hunter Modus. Zwei spielbare, aber unsichtbare Hunters, die mit Predator Bogen und Nanosuits ausgerüstet sind, müssen das gesamte gegnerische Team töten – die gefallenen Spieler werden dann zu Hunters. Die andere Seite besteht aus ganz gewöhnlichen CELL Soldaten mit Sturmgewehren und Schrotflinten. Als CELL Team gegen die unsichtbaren Jäger zu spielen, macht großen Spaß und ist sehr hektisch, da alle verzweifelt versuchen, die Positionen der Feinde durchzugeben, während sie in alle Richtungen feuern.
Crysis 3 wartet sowohl in der Einzelspielerkampagne als auch in den Multiplayer-Modi mit beeindruckender Grafik auf, die mit zum Besten gehört, was diesbezüglich in dieser Konsolengeneration zu sehen war. Die Umgebungen in der Einzelspielerkampagne sind unglaublich atmosphärisch. Undichte Abflussrohre lassen Wasser auf ihr Visier tropfen, während Ihnen der Blick über die beeindruckenden, weiten, Seph-verseuchten Felder mit ihrem hohen Gras das Gefühl gibt, gleich in eine Todesfalle zu steigen. Aber das Spiel ist nicht frei von graphischen Fehlern. Es gibt beträchtliches Texturen-Pop-In, wenn man in Multiplayer-Modi entsteigt oder respawnt. Gelegentlich tauchen ganze Objekte erst einige Sekunden nach dem Spawnen auf, was einen in einem Online-Match ganz schön durcheinanderbringen kann.
Insgesamt ist Crysis 3 eine befriedigende Shooter-Erfahrung. Obwohl die Kampagne eher auf der kurzen Seite ist, es einige visuelle Problemchen gibt und die AI mitunter nicht richtig ausbalanciert ist, werden diese kleinen Beschwerden vom taktischen Gameplay, den wunderschönen Umgebungen und den hervorragenden Online-Multiplayer von Crysis 3 in den Schatten gestellt. Crysis 3 ist ein solider Shooter, der zwar keine neuen Wege beschreitet, aber die Spieler mit der Kampagne und vor allem den gelungenen Online-Modi gut unterhält.
PRO: Das geheime, unsichtbare Jagen mit dem Bogen; das Gefühl, ein Supersoldat zu sein; einzigartiges Feeling des Online-Multiplayers; eines der schönsten Spiele, die man derzeit spielen kann.
CONTRA: Die Story und die Charaktere sind zum Vergessen; Multiplayer-Performance-Probleme; die Feinde können den Spieler viel zu leicht entdecken; das letzte Kapitel ist alles andere als gelungen.
Abschließende Bewertung
Spiel: 6,25
Spaßfaktor: 6,0 (Kampagne); 7,5 (Multiplayer)
Das Spiel wurde für den Test auf Xbox 360 und PC gespielt.
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